Kann man zu viel Wasser trinken?
Sicherlich, was für andere Bereiche gilt, das gilt auch hier. Aber solche Fälle haben Seltenheitswert. Der
„Spiegel“ berichtete 2008 von einem solchen Fall (England: 44-Jähriger stirbt nach Wasser-Überdosis): Der Mann hatte versucht, sein
schmerzendes Zahnfleisch ohne Medikamente mit Hilfe von 10 Liter kaltem Wasser am Tag zu betäuben. Nach drei
Tagen brach er zusammen und starb einen Tag später im Krankenhaus an einem Herzinfarkt.
In meinen Beitrag „Das Problem der Wasservergiftung“ beschreibe ich das näher. Ein paradox zu nennendes
Symptom einer Wasservergiftung ist Durst, was den Betroffenen in einen Teufelskreis schickt.
Andere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, unter Umständen ein Anschwellen des Kopfs (besonders bei
Kindern), Desorientierung bis hin zur Bewusstlosigkeit und Organschädigung. Die Mengen, die dazu notwendig sind, um
eine solche Wasservergiftung auszulösen, unterliegen auch keiner allgemeingültigen Regel.
Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eher von einer
solchen Vergiftung betroffen als Menschen mit normaler Nierenfunktion. Patienten mit Herzinsuffizienz sind von
einer erhöhten Wasseraufnahme ebenfalls gefährdet.
Allerdings spielt hier der Aspekt der „Vergiftung“ keine so große Rolle. Vielmehr kommt es durch die vermehrte
Flüssigkeitszufuhr zu einer Volumenerhöhung im Gefäßsystem, was die Arbeitslast des Herzens vermehrt. Ein schwaches
Herz und trotzdem mehr Arbeit; das ist genau das Gegenteil von dem, was eine Herzinsuffizienz sich wünscht.
Die Qualität des Wassers kann auch zu einer Vergiftung beitragen. Und schon drängt sich das nächste Paradoxon
auf: Je reiner das Wasser, umso wahrscheinlicher eine Vergiftung. Aber auch hier gilt, dass entsprechend hohe
Mengen pro Zeiteinheit zugeführt werden müssen, um einen solchen Effekt zu bewerkstelligen.
Grund für den nachteiligen Effekt des reinen Wassers ist sein Mangel an Mineralien. Wenn dann große Mengen
reinen Wassers getrunken werden, dann „verwässert“ die Konzentration an Mineralien, besonders Natrium und Kalium,
im Organismus.
Es entstehen also unphysiologisch niedrige Konzentrationen an Mineralstoffen im Körper, die aber für das
Funktionieren lebensnotwendig sind. Daher auch die Bewusstseinsstörungen, Desorientierung und so weiter bei einer
solchen Vergiftung.
Allerdings sind Rückschlüsse für einen normalen Konsum, wie oben beschrieben, nicht als zulässig anzusehen. Denn
reines, mineralarmes Wasser führt nicht per se zu einer Verarmung an Mineralien im Organismus, wie man daraus
schließen könnte.
Dafür ist in einer guten Ernährung zu viel an Mineralien vorhanden, die diesen leichten negativen Effekt des
Wassers mehr als wettmachen kann.
Der große Vorteil von reinem Wasser besteht einfach darin, dass man sicher sein kann, keine Chemikalien,
Bakterien, Viren und so weiter mit trinken zu müssen – für mich eine weitaus realistischere Bedrohung als eine
relative Mineralstoffverarmung durch reines Wasser, die sich schnell und unproblematisch beim Essen beheben
lässt.
Wieviel Wasser soll
man trinken?
|